Wer sich mit Reichweiten von E-Autos beschäftigt, kennt sie: WLTP- und NEFZ-Werte. Doch wirklich neu sind beide Abkürzungen nicht. Im Zuge des Abgasskandals bestimmten die Messwerte schon einmal die Schlagzeilen. Anders als bei der Schadstoffmessung entsprechen die Angaben zur E-Reichweite jedoch oft nicht der Realität. Ähnlich wie beim Benzinverbrauch auch liegen theoretische Laborbedingungen und Praxis weit auseinander. Doch wie weit kommt ein Elektroauto nun tatsächlich?
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15.07.2022
Bestimmt sind Dir schon die unterschiedlichen Reichweiten-Angaben in Bezug auf E-Autos aufgefallen. Bei genauerem Hinsehen und nach einigen Praxis-Kilometern mit Deinem Stromer wird schnell klar: Diese Werte haben selten etwas mit der Realreichweite zu tun. So haben beispielsweise die Wahl des Messverfahrens und Temperatureinflüsse direkten Einfluss darauf, welche Zahl am Ende auf dem Display Deines Elektroautos angezeigt wird. Apropos: Ja, Kälte wirkt sich negativ auf die Akkuleistung eines E-Autos aus – mit diesen Tipps & Tricks für die Winterzeit hält der Akku trotzdem länger
WLTP (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedures) ist ist das neueste Messverfahren und hat sich weltweit durchgesetzt. Seit 2018 benötigen alle Neufahrzeuge in Deutschland ein WLTP-Zertifikat. In Bezug auf die Reichweiten-Ermitttlung bei Elektroautos soll das WLTP-Verfahren die genauesten Werte liefern. Fanden Messwert-Testungen bei Autos früher in der Regel unter Laborbedingungen in einem geschlossenen Raum statt, müssen die Fahrzeuge beim neuen Messverfahren nun auch eine bestimmte Anzahl an Kilometern unter freiem Himmel abspulen. Die Ergebnisse sollen dadurch eher der Realität entsprechen.
Dennoch lässt sich in der Praxis feststellen: Vom WLTP-Wert lassen sich locker 25 Prozent abziehen, um die Realreichweite eines E-Autos zu erhalten. Um es an einem Beispiel deutlich zu machen: Sind bei Deinem E-Auto 300 Kilometer WLTP-Reichweite angegeben, kommt das Fahrzeug unter normalen Bedingungen nur rund 225 Kilometer weit. Auch interessant: Reality Check – Die 5 häufigsten Elektroauto-Mythen
Noch ungenauer wird es mit der älteren Messmethode, dem NEFZ-Verfahren (Neuer Europäischer Fahrzyklus). Denn NEFZ-Werte werden ausschließlich unter Laborbedingungen ermittelt. Auch beim Testzyklus selbst zeigen sich verglichen mit WLTP Unterschiede. Während die Fahrzeuge beim WLTP-Verfahren mindestens 30 Minuten pro Test fahren müssen, fällt die Fahrdauer beim NEFZ-Verfahren zehn Minuten kürzer aus. In puncto Geschwindigkeit werden ebenfalls zwei sehr unterschiedliche Werte ermittelt. Bei Testfahrten für das NEFZ-Verfahren liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit bei 34 km/h – ein tatsächlich sehr unrealistischer Wert in der Mischung aus Stadt- und Überlandfahrten. Realistischer wird es beim WLTP-Verfahren: Hier fahren die Tester im Durchschnitt 47 km/h schnell. Dementsprechend weit weg von dem tatsächlichen Wert liegen die NEFZ-Reichweitenangaben eines Elektroautos.
Durch das neuere WLTP-Messverfahren gibt es endlich etwas mehr Transparenz bei den ermittelten Werten. Das betrifft sowohl die E-Auto-Reichweite als auch den CO₂-Ausstoß und die dazugehörenden Grenzwerte. Denn auch der Schadstoffausstoß eines Autos wird mittels WLTP-Verfahren ermittelt. 2019 gab es diesbezüglich ein Update (WLTP 2nd Act-Verfahren), mit dem nun im Zusammenspiel mit dem RDE-Messverfahren (Real Driving Emissions) möglichst genaue Schadstoffwerte ermittelt werden können.
Für die Reichweitenangabe eines E-Autos greifen die Tester aber weiterhin auf die erste WLTP-Version zurück. Für Dich bedeutet das: Willst Du die tatsächliche Realreichweite eines Elektroautos ermitteln, darfst Du locker ein Viertel des angegebenen Wertes abziehen. So bleiben Dir später ungewollte Überraschungen erspart.